Wohin geht die Reise?

π-Glosse

© Franz Ryznar ryznar@aap.or.at

Wohin geht die Reise?

Diese Frage ist für all jene, die sich einen Urlaub leisten können (das sind in Österreich ebenso wie in der ILB zwar viele, aber bei weitem nicht alle Familien!), für den Sommer 2019 vermutlich schon gelöst. Schwieriger wird es da schon mit Planungen und Prognosen, auf welche ungeahnten, abenteuerlichen, wohl auch lebensgefährlichen Reisen uns das globale Klima führt, ja zwingt. Viele tausende Schüler*innen entscheiden sich nun stets aufs Neue für massenhafte Innenstadt-Wanderungen zu Fuß - jedenfalls eine gute ökologische Reise und ein (politischer) Fußabdruck! Ob er bei den mächtigen globalen wirtschaftlichen und finanzoligarchischen Interessen, die hier im Spiel sind und schon längst weit über allen nationalen Regierungen stehen, einen Eindruck hinterlassen wird?

Wohin geht die Reise – eine bange Frage, die sich auch für viele geflüchtete Menschen stellt. Und deren meist von harten Schicksalsschlägen gezeichnete Lebensqualität auch nicht steigt, wenn ihr Versuch, in einem fremden Land Fuß zu fassen, dauernd hinterfragt und bedroht wird. Lehrlingsmangel in Österreichs Touristik-Branche – aber gut eingelebte Lehrlinge mit „fremdem“ oder gar keinem Pass werden laufend abgeschoben. Geht’s noch dümmer?

Aber beschränken wir uns lieber auf überschaubarere Bereiche des Reisens: zum Beispiel das Schulsystem.

Absehbar war, dass die aktuelle Regierungskoalition hatscherte schulpolitische Kompromisse der Vergangenheit aufs Korn nehmen und im kleinkariert ideologisch-inspirierten Sinne zugunsten einer Stärkung der Selektion umdefinieren wird. Inklusion in Worten (oder nicht einmal mehr das?), Schulautonomie in Worten und zarten Ansätzen, aber vor allem: Krypto-Homogenisierung und Zentralisierung in Taten (durch: zwangsweise Umsetzung von Deutschförderklassen ohne Mitsprache oder Gestaltungsfreiheit der einzelnen Schule, Leistungsgruppen an Mittelschulen, Stärkung der Sonderschulen, Stärkung der Gymnasien, Revitalisierung des vermeintlichen  Leistungsindikators Ziffernnote).

„Aus den diskutierten Forschungsergebnissen kann geschlossen werden, dass die permanente Selektion der Schüler/innen in möglichst homogene Lerngruppen kein adäquates Ziel ist.“ (Nationaler Bildungsbericht, Österreich 2018, erschienen im Frühjahr 2019, Band 2, S. 27)

Wir gehen mit unserem Schulprojekt einen bewusst nicht-selektiven Weg. Und unsere nunmehr 20 Jahre dauernde Schulentwicklungsreise hat erstaunliche Ergebnisse geliefert. Eine öffentliche Lernwerkstatt, die eine kontinuierliche und qualitätsvolle Begleitung der ihr anvertrauten Schüler*innen für deren gesamte Pflichtschulzeit gewährleistet. Ein Angebot, das es in Wien vereinzelt gibt, das es aber dutzendfach geben könnte und sollte! Ein Angebot, über dessen Existenzberechtigung nicht politischer Schacher oder ideologisch konstruierte Zwangsmaßnahmen entscheiden sollten, sondern die unmittelbar Betroffenen – also Schüler*innen, Eltern und beteiligte Pädagog*innen.

Ich wage die Behauptung, dass gemeinsames Lernen bis zum 14./15. Lebensjahr in gemischten Gruppen allen Beteiligten gut tut. Darum heißt auch der neue Film über die ILB genau so.

Mögen die Botschaften unserer Arbeit und unseres Films ebenso wie die Quintessenzen des Nationalen Bildungsberichts auch die politischen Entscheidungsträger erreichen und inspirieren. Eine zaghafte Hoffnung, fürwahr. Selbstbewusster und nicht arrogant gemeint bin ich geneigt zu postulieren: Am öffentlichen Lernwerkstatt-Wesen möge das Schulsystem genesen!

„Wohin geht die Reise?“ So betitelt sich ein österreichweiter Bildungskongress, zu dem die Initiative „Schulautonomie Monitoring Österreich – Überparteiliches Netzwerk für kindergerechte Schulen“ für Mitte Juni 2019 in Linz einlädt. Anmeldungen sind ab Ende April unter www.schaumonito.atmöglich. Gemeinsam etwas versuchen ist allemal besser als schimpfen und Nichtstun.

Eine Reise nach Great Britain/United Kingdom machen im Mai 2019 ca. 70 unserer großen Schüler*innen – Worthing, Eastbourne und London rufen. Ob das Land dann noch in der EU ist, weiß im Moment genau niemand! Wir wünschen unseren Schüler*innen spannende Eindrücke, good talks and impressions und zeitgerechten Rückflug (die „Schule“ wartet…).

Und eine Reise mit unbekannten, neuen Zielen trete ich persönlich am 1. Mai 2019 an – 65 Jahre ist in unseren Breiten ja noch kein Greisenalter! Ich danke allen privaten und beruflichen Weggefährt*innen – es hat mich sehr gefreut, ich habe nichts bereut!

 

Meint ergebenst

tshipi

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